Text: Hans Guikink
Fotos: Bert Stevens und Hans Guikink
Übersetzung in deutscher Sprache: Nel van Oort
Gestatten Sie uns vorzustellen: Zwei Holländer und ein Schiff. Die Holländer sind Bert und Hans; das Schiff heißt Theodor. Uns wurde die Gelegenheit geboten mit Theodor einen Ausflug zu machen von Hennigsdorf, in der Nähe von Berlin, nach Buchholz am Müritzsee. Das zur Verfügung stellen des Schiffes geschah unter sehr günstige Bedingungen. Natürlich gehörte hierzu eine Gegenleistung, und zwar ein kurzer Reisebericht von dieser Fahrt, illustriert mit Fotos. Dazu ein Eindruck vom Schiff. Fangen wir damit an!
"Theodor" ist die Neuerwerbung von Yachtcharter Römer und ist mit einer Länge von fast 14 Meter sogleich das größte Schiff dieses Betriebes. Vierzehn Meter bedeutet, dass ein Mieter grundsätzlich kein Führerschein braucht. Auffallender als die Länge ist die Breite von 4,70 Meter. Der Lebensraum ist imponierend und das Boot wird vermietet für eine Besatzung von 10 Personen. Alle finden Platz in den fünf Schlafkabinen. Auch können noch zwei Personen auf den bequemen Sitzbänken im Salon übernachten. Wir sagen "Salon", weil "Ruderhaus" zu bescheiden ist für diesen großen Raum, wo sich auch die Kombüse befindet. Es gibt dort einen Kochherd mit Gasofen, und zwei tüchtige Kühlschränke. Haben wir die drei (!) Badezimmer mit Dusche, Waschbecken und WC schon erwähnt? Überall ist fließendes Warm- und Kaltwasser.
Theodor ist ein ganz neuer Typ, bei Aquanaut in Sneek (Holland) entworfen und gebaut. Diese Aquanaut "Vintage" ist eigentlich ein Außenseiter. Viele Menschen sagen: "Früher war alles besser und schöner". Nostalgie, heißt das. Aquanaut hat sich diesem neuen Trend angeschlossen, und basierte den Rumpf mehr oder weniger auf dem eines Schleppers aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts, mit einem senkrechten Vordersteven und ein Hintersteven wie damals üblich. Das sieht gut aus! Ein "Schornsteinchen", nur als Schmuck und Träger für Topp- und Ankerlicht, ist einfach zu demontieren bei zu niedrigen Brücken. Weiter ist alles vollständig "State of the Art". Hydraulische Lenkung innen und außen, ein kräftiges Bugstrahlruder und Heckstrahlruder, die das Manövrieren mit diesem großen Schiff sehr erleichtern. Eigentlich könnte man mit diesem Schiff auch seitwärts fahren. Ein flüsterstiller Perkins Sabre Sechszylinder Dieselmotor mit einer Leistung von 150 PS versorgt den Antrieb. Ein Umformer liefert 220 Volt an mehrere Stellen. Es gibt einen Kraftstofftank mit einem Inhalt von 600 Liter, und auch 800 Liter Trinkwasser können mitgenommen werden. Selbstverständlich gibt es einen Abwassertank. Die ganze Ausführung ist tadellos, der Anstrich ist musterhaft. Die Holzverkleidung ist ausgeführt mit Kirschbaumholz.
Nach einer Bahnfahrt von den Niederlanden nach Berlin, danach eine lange Fahrt mit der S-Bahn und noch einem Taxi, kamen wir am 23. Juli 2012 bei der Basis von der Firma Römer in Hennigsdorf an. Hier empfängt man uns anständig, wir schauen das Boot an und nachdem wir unseren niederländischen Führerschein gezeigt haben, genügt eine Viertelstunde Probefahrt. Übrigens kann man auch ohne Führerschein dieses Boot mieten, wie vorhergesagt. In diesem Falle bekommt man eine Instruktion von etwa drei Stunden.
Die Theodor ist vielleicht das größte Boot womit ich je fuhr, doch ich vertraue voll auf den guten Ablauf unseres Abenteuers. Das Vorhandensein des Heckstrahlruders spielt dabei eine wichtige Rolle! Wir Schiffer sind zu zweit, und wir wählen eine Privatkabine und Privatdusche. So ein Luxus! Dann essen wir lecker in einer griechischen Gaststätte, beträchtlich billiger als in Holland. Im Supermarkt versorgen wir uns mit Essen und Trinken. Vor allem das letzte, denn es werden warme Tage vorhergesagt. Am nächsten Tag fängt unsere Reise an. Etwa 180 Kilometer mit 14 Schleusen trennen uns von unserem Ziel: Buchholz.
Selbstverständlich sollen wir uns über diesen Ausflug positiv äußern. Deswegen brauchen wir uns nicht abzuquälen, denn dieses Revier ist fast überall schön und oft sogar wunderschön. Die Strecke besteht zu großen Teilen aus einem Fluss - der Havel - und einer ganzen Reihe kleinerer und größerer Seen. Kanäle verbinden sie miteinander und meistens befindet sich darin eine Schleuse. Dieses Gebiet wird die Mecklenburgische Seenplatte genannt. Viele Schleusen wirken automatisch und sind von den Schiffern einfach zu bedienen. Aber es gibt auch welche mit Schleusenwärter. Sehr groß sind sie nicht, also können in der Hochsaison ziemlich lange Wartezeiten entstehen. Weil es fast immer genügend Warteanlegeplätze gibt ist das kaum ein Problem. Die Menschen plaudern mit einander, man hat Zeit um etwas zu essen und zu trinken und um die Glieder zu strecken. Wir erfuhren es meistens als gemütlich. Nur bei der modernisierten und vergrößerten Schleuse vom netten Örtchen Fürstenberg mussten wir einige Zeit herumschaukeln bevor wir an die Reihe kamen. Platz genug, und niemand versuchte sich vorzudrängen.
Ich weiß, dass es Freizeitschiffer gibt, die eine unbestimmte Angst für Schleusen haben. Dazu gibt es aber keinen einzigen Anlass, in der Schleuse soll man möglichst weit nach vorne fahren. Ein Boot soll bei einer der Drehkurbeln, womit die Schleusung in Betrieb gesetzt wird, festmachen. Sind alle Boote in der Schleusenkammer, dann wird die grüne Kurbel einige Sekunden seitwärts bewogen. Weiter geht alles automatisch, und das einzige was man beachten soll, ist dass man beim Abschleusen die Trossen abfiert. Die Schleusen sind technisch in Ordnung und es gibt ausreichend Poller und oft sogar Gleitstangen. Anständige Schiffer schalten in der Schleuse den Motor aus.
Was können wir außer der prachtvollen Gegend noch bewundern? Große Mengen Wasservögel. Natürlich auch sehr viele große und kleine Boote. Und am Anfang auch noch ein wenig Berufsschifffahrt. Auffallend ist die Anzahl motorisierter Flösse, meistens mit elementarischem Aufbau, einem Zelt, oder sogar einem Caravan. Auch sehen wir Hausboote mit mehr Comfort, aber von uns respektlos "Schwimmende Gartenhäuschen" oder noch schlimmer "Radschuppen" genannt. Das am meisten komische war ein kleines Radlerboot. Die Schaufelräder wurden von Pedalen angetrieben. Schnell ging 's nicht …
Die Landschaft ist wundervoll Am Ufer entlang sieht man viel Schilfrohr, auch Wälder, neben Äckern mit goldgelbem Getreide. Reizend ist das Städtchen Zehdenick mit einer großen Schleuse und der einzigen bewegbaren Brücke in dieser Strecke. Da sind auch noch die Reste eines alten Wasserkraftwerks. Auf einem alten Frachtschiff ist ein Schiffermuseum.
Wir essen prima in einer Gaststätte, gleich neben unser Boot. Für uns ist es sehr interessant zu sehen wie diese Städtchen und Dörfer nach der Wende verschönert wurden. Das Graue ist verschwunden. Muntere Farben, neue Balkone und Fensterrahmen haben die Einförmigkeit der Hochhäuser durchbrochen. Auch sind viele Gebäude abgerissen. Aber hier und da sind wohl noch deutliche Spuren von der Vergangenheit zu sehen, wie eine verlassene Fabrik, oder eine Gasse mit Katzenkopfpflaster.
Nicht weit von Zehdenick kommt man an einer sehr großen Ziegelei vorbei. Diese wurde in 1989 geschlossen und später umgebaut als ein Museum mit Zubehör. Das Ganze nennt man Ziegeleipark, und für Besucher ist ein großer Gästehafen gebaut. Wir haben dieses Museum besucht und waren beeindruckt. Außerdem war es in dem früheren Ringofen, mit seinen sehr dicken Mauern herrlich kühl (draußen waren es 32 Grad!)
Das schönste Kanalstück zwischen Zehdenick und dem Ziegeleipark verläuft zwischen künstlichen und oft unsichtbaren Seen. Hier wurde früher der Rohstoff für die Ziegelsteine gewonnen. Nun herrscht hier Ruhe.
Das Städtchen Mirow am Mirower See, hat ein schönes Schloss mit Park. Das Dorf ist bekannt wegen Pfahlbau- und Bootshäusern am Ufer des Sees und neben dem Kanal nach dem Zotzensee. In einer schmalen Gracht kann man übernachten, aber "Theodor" ist dafür bestimmt zu breit. Darum legen wir bei der Schleuse an um im Städtchen etwas einzukaufen. Nachher überschlagen wir zwei Schleusungen und trinken große Gläser Sprudelwasser an Land in unseren Stühlen.
Erst nachdem wir In Rechlin waren – unser letzter Übernachtungsort - entdeckten wir, dass wir ein Glas vergessen haben. Und ich radle dann, mit einem vom Hafenmeister geliehenen Damenrad, nach Mirow um das Inventar wieder zu komplettieren. Leider umsonst 22 Kilometer geradelt. Aber es war eine schöne Strecke, teils ein Radweg auf dem damaligen Schienenweg, via das Dorf Lärz mit einer schönen Holzkirche. Wie dem auch sei: wir raten zukünftigen Bootsmietern mindestens zwei Fahrräder zu mieten, wenn auch nur fürs Einkaufen.
In Rechlin ist ein luftfahrttechnisches Museum in einer ehemaligen Erprobungsstelle der Luftwaffe des 3. Reiches. Viel russisches Material ist hier ausgestellt, wie sehr alte Düsenjäger und Hubschrauber. Für die Liebhaber von alter Technik sehr interessant.
Zufällig fing heute auch das Müritzfest an. Es ist eine kleine Kirmes und abends bewundern wir eine wirklich imponierende Feuerwerkschau. Weniger angenehm ist die laute Musik, die bis halb drei über dem Hafen schallt. Aber wir sind so müde, dass es uns nicht zu sehr gestört hat.
Am letzten Tag, Sonntag den 29. Juli, fahren wir dann nach Buchholz. Wir packen unsere Sachen ein und schlafen noch eine Nacht auf diesem einzigartigen Schiff. Am nächsten Morgen finden die Kontrolle und die Endabrechnung statt. Dann folgt eine ziemlich komplizierte Heimreise mit einem Taxi (nach Wittstock) und drei Zügen. Alles verläuft wie geplant.
Wir beenden diesen Bericht mit einigen praktischen Mitteilungen. Der Abstand Hennigsdorf - Buchholz beträgt wie gesagt, zirka 180 Kilometer. Wenn man Eile hat ist das in drei Tagen möglich. Das wäre natürlich lächerlich: man macht ja eine Vergnügungsfahrt! Wir brauchten fünf Tage und lagen zwei Nächte im großen Yachthafen von Rechlin. Mit einer Drehzahl von nur 1200 upm hat „Theodor" schon eine Geschwindigkeit von 10 Stundenkilometer. Das genügt um herrlich entspannt zu fahren.
Wir fuhren im Ganzen fast 23 Stunden. Eine Schleusung dauert durchschnittlich eine Stunde. Also ist man etwa 40 Stunden unterwegs. Das wäre in unseren Fall acht Stunden pro Tag. Wenn man dann um zirka 9 Uhr abreist ist man rechtzeitig bei einer Übernachtungsstelle. Mit Ausnahme von Rechlin haben wir "wild" festgemacht. Bei den Schleusen ist wohl immer Platz. Wir sahen auch viele Boote vor Anker liegen. Günstige Ankerstellen mit einer Tiefe von zirka zwei Meter sind auf den Karten markiert. Selbstverständlich gibt es außer den Yachthäfen keine Versorgungen, doch das wäre für eine etwas größere Yacht kein Problem. Die Batterien schaffen den Verbrauch leicht, und die sanitären Einrichtungen an Bord sind hervorragend. Das einzige was man vielleicht in der Nacht hört ist das einschläfernde Rauschen vom Wasser in der Schleuse.
Besondere Probleme sind auf dieser Strecke nicht zu erwarten. Die Wassertiefe ist überall ausreichend und wo nicht, verhindert Betonnung das Festfahren. Die großen Wasserkarten, die man mitbekommt sind sehr gut und detailliert und verschaffen auch touristische Auskunft.
Eine ganze Woche ist ausreichend um noch einige etwas außerhalb der Strecke liegende Seen oder Orte zu besuchen. Aber zuletzt kommt man doch immer auf dieselbe Havel Wasserstraße. Man könnte auch die Müritz besuchen. Dieser See ist mit 117 Quadratkilometer Deutschlands größter Binnensee.
Yachtcharter Römer verfügt über eine große Flotte mit Yachten und Hausbooten in allen Größen. Die Längen variieren von 8,50 Meter bis fast 14 Meter. Man könnte eine Woche fahren kombiniert mit einer Woche {oder länger) Aufenthalt in einer Ferienwohnung in Buchholz am Müritzsee.
Es war eine großartige Woche! Es lebe Theodor!