

















Rendezvouspläne am Küchentisch
Viele berufstätige Paare kennen die Situation: Man sitzt im Winter am Küchentisch, jeder mit seinem Kalender, und bespricht die kommenden Monate. Fortbildungen, Skiurlaube, Filmkunstfest, Weltkanalkonferenz, Familienfeiern und Messen - alles wird durchgegangen. „Haben wir überhaupt irgendwann mal ein langes Wochenende fürs Bootfahren?“ „Ostern und das 1.-Mai-Wochenende sind schon mal raus.“ „Wie sieht's mit dem Himmelfahrtswochenende aus?“ „Passt!“ „Okay, dann blocken wir das!“
Ich habe ein Rendezvous! Ja, nach 24,5 Ehejahren und mit meinem eigenen Mann, vier Monate im Voraus geplant, aber es muss ja nicht weniger romantisch sein. Wohin wir fahren? Das entscheiden wir spontan. Am Mittwochnachmittag vor Vatertag soll es losgehen. Ich komme am Sonntag vorher von einer Geschäftsreise zurück und hupe vor dem Büro, um meinen Mann nach Hause zu locken. Anderthalb Stunden später ist er zu Hause. „Wir gehen am Mittwoch aufs Boot.“ „Öh, ja.“ „Haben wir schon ein Boot? Wohin wollen wir?“ „Öh, ja, mal sehen.“ Am Montagmittag kommt er in mein Büro und schlägt vor, einen Oneway-Törn nach Mildenberg zu machen. Es gibt zwar keine schicke Kormoran, aber eine kleine Vetus 900. An der Müritz liegen sieben Stück davon, also könnte man eine ab der neuen Basis Mildenberg chartern.
Schnuckelige Vetus 900
Die Vetus 900 ist ein schnuckeliges Plastikboot mit einer Schlafkabine achtern. Das Doppelbett an Backbord bietet für Bootsverhältnisse Komfort, dazu eine Einzelkoje an Steuerbord. Im Salon gibt es Sitzbänke um einen großen Esstisch, einen Kühlschrank, eine kompakte Küchenzeile und viel Stauraum. Ideal für zwei Personen. Die „Picasso“ ist eine der jüngsten Vetus-Boote der Flotte. Anfang der 2000er wurden zwei leere Vetus-Rümpfe bei Kuhnle-Werft ausgebaut. Innen erinnert die „Picasso“ mit weißen Flächen, dunklen Holzleisten, blauen Polstern, gewürfelten Gardinen und hölzernen Türen an eine Kormoran.
Ich erinnere mich an eine Überführung vor 25 Jahren: damals unverheiratet mit einem Kleinkind und einem weiteren unterwegs. „Na klar, das wird schön!“ Optimismus war schon immer meine Stärke.
Hektik ohne Bier und Kaffee
Mittwochnachmittag: Die Schleuse Mirow schließt um 18 Uhr, das schaffen wir nicht. Gegen halb sechs verlassen wir das Büro, um nach Hause zu fahren, Sachen zu packen und die Bootskiste zu checken. Ich hole schnell Bettwäsche und Handtücher, werfe sie an Bord und flitze nach Hause. Die Bootskiste wurde dieses Jahr schon zweimal von den Kindern genutzt. Ich entferne überflüssige Handseife und Klopapier und packe das Steiner-Fernglas ein. „Wo ist unser Reservekaffee?“ fragt mein Mann. „Den hole ich im Büro aus dem Auto.“ „Wo sind die Bierdosen?“ „Die hatte ich auch mit.“ Ich lächle und hoffe, dass er nicht bemerkt, dass ich die Vorräte nicht aufgefüllt habe.
Also los!
Wir packen zwei Reisetaschen, eine Kühltasche, einen Karton mit Wein, Sekt, die Bootskiste, eine Kiste mit Bier, Wasser, Gemüse, Aufbackbrötchen, zwei Rucksäcke mit Laptops, Ladekabeln und meinen großen Ordner für Kartenkorrekturen in den Kofferraum. Die Fahrräder sind schon im Hafen.
Wir laden alles an Bord. Während mein Mann den Kühlschrank einräumt, stecke ich das Stromkabel aus und mache die Leinen los. Das Bugstrahlruder funktioniert nicht. „Hmm, wohl nicht aktiviert,“ denke ich. „Wir müssen nachher mal nach dem Bugstrahler gucken,“ rufe ich und fahre erst mal ohne aus dem Hafen.
Endlich unterwegs!
Später übergebe ich das Steuer zum Bettenbeziehen an meinen Mann. Einer räumt, der andere fährt, so machen wir es immer. Als alles verstaut ist, genießen wir die Fahrt in den sonnigen Abend mit einem alkoholfreien Bier. Endlich wieder unterwegs! Herrlich! Tiefenentspannt kommen wir an der Sportbootwartestelle der Schleuse Mirow an. Mangels Bugstrahler legen wir unelegant an – egal, wir haben Hunger und das Essen ist fertig.
Nach dem Essen stellen wir fest, dass auch das Radio nicht geht. Kein Problem, aber schade, dass ich nichts an die USB-Steckdose anschließen kann. Vor uns liegen die vier meistbefahrenen Schleusen zwischen der Müritz und Berlin. Wir haben gute Chancen, morgen früh schnell durchzukommen und ohne Wartezeit die nächste Schleuse zu erreichen. Deswegen rufen wir den Kuhnle-Tours-Notdienst nicht an und machen Strecke, um Donnerstagabend in Fürstenberg zu sein, wo wir am Freitag noch einkaufen können.
Brötchenduft in der Schleusenkammer
Am Himmelfahrtstag wache ich um acht auf und schleiche in den Salon, um Brötchen zu backen. Eine große Vatertagsaktion gibt es bei uns nicht, aber ein ordentliches Frühstück soll sein. Die Brötchen brauchen im Bordbackofen länger als erwartet, sodass wir ungefrühstückt in die Schleuse fahren. Der Brötchenduft steigt mir in die Nase, während wir tiefer in der Schleusenkammer sinken.
In der Schleuse ändern wir unsere Technik: Ich stehe vorne, während mein Mann das Heck sichert. Diese Änderung führt bei der nächsten Schleuse zu einem heftigen Anranzer eines jungen Sachsen, der unseren „Scheiß-Kahn“ (seine Worte) auf Abstand halten will. Obwohl wir dicht an seinem Gleitboot dran sind, kommt es zu keiner Berührung.
In einem Rutsch nach Fürstenberg
Erstaunlich wenig los an Himmelfahrt: Wir kommen schnell durch die Schleusen Diemitz, Canow und Strasen. Deshalb beschließen wir, bis Fürstenberg durchzufahren, um nicht auf den Notdienst warten zu müssen. Vor 16 Uhr legen wir am Fürstenberger Yachtclub an, melden uns beim Hafenmeister und sammeln Ein-Euro-Stücke für Strom und Duschen.
Ich mache es mir auf dem Achterdeck mit einem Buch und einem Glas Sekt gemütlich. Gegen 17 Uhr taucht Silvio Kraballe auf, der meistgelobte Kuhnle-Tours-Mitarbeiter, und repariert die Kontakte im Motorraum. Das Bugstrahlruder und das Radio funktionieren wieder.
Zum Abendessen spazieren wir in den Templiner Hof, einen Gasthof mit ruhigem Biergarten und frischen Zutaten. Wir bestellen Spargel und sind sehr zufrieden.
Einkaufstour mit Draht- und Packesel
Am Freitag beschließen wir, dass der nahe Netto-Markt so dicht ist, dass ein Fahrrad reicht. Wir könnten die Einkäufe an den Lenker des leichteren Fahrrads hängen. Ich verzichte auf mein Fahrrad und den Fahrradkorb.
Die prall gefüllte Einkaufstasche scheuert am Vorderrad, ich balanciere ein Sixpack Bier und einen neuen Fahrradsattel unter den Armen und überwache ein Schälchen Erdbeeren.
Bis zur nächsten Schleuse haben wir ein Stück Havel und den Stolpsee vor uns. Danach wird es enger mit den Schleusen Bredereiche, Regow, Zaaren und Schorfheide in schneller Folge. Der Fluss windet sich durch dichte Wälder und weite Felder. Ein Gekurbel!
Kurbelfahrt ins neue Revier
Unterhalb der Schleuse Schorfheide geht es links in die Templiner Gewässer. Nach sieben Jahren ist die Fahrt hier wieder möglich, denn die Schleuse Kannenburg wurde im Herbst 2023 nach Bauarbeiten wiedereröffnet. Beim Näherkommen sehen wir die Jahreszahl 2022 am Beton, obwohl die Schleuse später fertig wurde. Das Schleusen geht ruhig und unkompliziert mit einem großen Display, das den Fortschritt anzeigt.
Templin: Für Bootfahrer geschlossen?
Unser Ziel ist der Stadthafen von Templin, der während der Sperrzeit erneuert wurde. Doch als wir ankommen, sehen wir die neue Steganlage mit Flatterband abgesperrt und ein Boot quer in der Box. Die dort sitzenden Leute sagen uns, dass Anlegen nicht möglich ist. Wir weichen auf den Fahrgastanleger nebenan aus, obwohl dieser kein Stromanschluss hat. Eine freundliche Frau hilft uns beim Festmachen.
Zum Abendessen gehen wir in ein nettes italienisches Restaurant in der Altstadt. Am nächsten Morgen werden wir vom Fahrgastschiffer auf das Schild hingewiesen und zahlen ihm 40 Euro fürs Anlegen, bevor wir weiterfahren.
Zwischen Seerosen und zauberhaften Seen
Vom Templiner See aus sind noch vier weitere Seen zu erreichen. Open Sea Map zeigt kleine Kanäle zu weiteren Seen. Einer führt durch eine schmale, mit Seerosen und Schilf bewachsene Rinne. Wir entdecken eine abenteuerliche Anlegestelle ohne Verbotsschilder und eine Badestelle.
Durch den Bruchsee und eine enge Brücke erreichen wir den Fährsee. Dort gibt es eine Anlegemöglichkeit beim Hotel Fährkrug. Wir legen an einem Steg an, dessen Brett sich löst, und sichern das Boot an einem Stahlträger.
Besuch im Hotel Fährkrug
Das Hotel liegt schön am See mit eigenem Badestrand. Die Außenanlagen wirken „naturnah shabby-chic“, aber die Terrasse ist einladend. Wir genießen Soljanka und frischen Salat und finden das Hotel innen sauber, aber renovierungsbedürftig. Leider möchte das Hotel nicht im Törnplaner erscheinen.
Auf der Suche nach einem Ankerplatz
Nach dem Besuch tuckern wir entlang der Wasserskistrecke auf der Suche nach einem Kanal, der gesperrt ist. Eine rot-weiß-rote Tonne versperrt die Einfahrt. Wir richten den Bug nach Süden, um im Zaarsee einen gemütlichen Ankerplatz für die Nacht zu finden.
Während der Fahrt habe ich genug Zeit, den neuen Sattel an meinem Fahrrad anzubauen und anzupassen. Glücklicherweise hatte ich Werkzeug dabei, um die Neigung des Sattels perfekt
Zwitschern, tschilpen und Kaltwasser-prusten
Im letzten Winkel des Sees, außerhalb von Schilfgürtel und Seerosen, lassen wir den Anker fallen und stellen den Motor aus. Stille? Von wegen! Hier zwitschert, tschilpt, kräht, krächzt, piept, schnattert und raschelt es. Die Natur gibt ihr Bestes, keine anderen Menschen oder Boote in Sicht. Nach dem Essen wird es schummrig, eine Kerze sorgt für Romantik.
Der Sonntagmorgen begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein. Nach dem ersten Kaffee im Bett (es ist Muttertag!) nehme ich allen Mut zusammen und klettere die Badeleiter hinunter in den Zaarsee. Das Wasser ist überraschend kalt und die Vögel verstummen. Nach einer Runde ums Boot gewöhne ich mich daran und schwimme schließlich über 800 Meter in einer guten halben Stunde. Das Wasser schätze ich auf etwa 15 Grad, doch meine Uhr misst die Temperatur nur bei Tauchgängen.
Rückfahrt nach Mildenberg
Um die Mittagszeit holen wir den Anker hoch und trödeln im Sonnenschein durch die Schleusen Templin und Kannenburg die Obere Havel-Wasserstraße hinab Richtung Mildenberg. Der Fluss schlängelt sich rechts und links gen Süden. Abwechselnd steuern wir und erledigen unter Deck Hausarbeiten: abwaschen, Schränke aufräumen, Betten abziehen, Ladekabel aufrollen und Müll sortieren, damit wir bei Ankunft im Ziegeleipark alles nur umladen müssen.
Ankunft und Heimkehr
Still erreichen wir unseren Liegeplatz, schließen den Strom an, rollen die Festmacher auf und heben unser Zeug über die Reling. Nach einer Stunde Fahrt kommen wir an der Müritz an, trinken ein kleines Sonnenuntergangs-Bierlein. Für den Sonntagskrimi sind wir jetzt zu müde.