Isolde und Peter Rutscher aus Hamburg erlebten im Sommer einen unglaublichen Hausbooturlaub von der Müritz nach Berlin
- Ein Hausboot im Hafen der Ehe
- Findet El Hierro
- Wer zu spät kommt …
- Kurz angebunden
- Gott schütze uns ...
- Quizfrage und die Folgen
- Geraubte Braut
- Bedingungen
Einleitung - Ein Hausboot im Hafen der Ehe
Urlaub auf dem Wasser mit dem Hausboot. So eine Reise mit einem Hausboot hatte ich mir absolut entspannend vorgestellt. Als ein bisschen wie Wellness auf der Müritz. Über mir die Sonne von Mecklenburg und um das Schiff die Mecklenburgische Seenplatte. Von all dem hatte ich bisher nur gehört: Ferien auf einer traumhaften Motoryacht. Das sollte doch genau das Richtige für mich sein, den gestressten Lokaljournalisten aus Hamburg.
"Motorboot" – allein wie meine Frau das Wort im Mund drehte. Hätte mir gleich denken können, dass schon der reine Plan für sie eine Provokation darstellen würde. Die Gemächlichkeit, die ein Urlaub mit einem Hausboot mit sich bringt, und die Umtriebigkeit, die die Chefin eines 3-Sterne-Hotels an der Alster erfolgreich macht – kann das zusammenpassen? Mit der Stille und Natur der Kleinseenplatte, mit Schloss Rheinsberg samt Theodor Fontane würde ich sie nicht locken können. Doch ein Geistesblitz rührte mich wie Donner: "Berlin, Isolde, wir fahren nach Berlin!"
Hätte Isolde geahnt, wie aufregend unsere private Flusskreuzfahrt über Müritz, Havel und Spree für sie werden würde, sie wäre eher in den Hamburger Zoo zum Enten füttern gegangen. Auch unser Hausboot Vermieter, Manfred Römer, Flottenadmiral von 38 Charterbooten, hatte bis dahin noch nie von einem Törnverlauf wie dem unseren gehört. Er bat mich, die Geschichte für seine Internetseite "Yachtcharter Römer" aufzuschreiben. "Normalerweise", sagte mir Römer, "stellt ein Urlaub auf dem Wasser keine Gefahr für die Ehe dar." Gegen Ereignisse, wie wir sie erlebten, sind Kunde und Anbieter aber machtlos. Schon am ersten Tag ging es zwischen Isolde und mir hoch her.
Erster Tag: Von Buchholz über die Müritz nach Röbel - "Findet El Hierro"
Die Handtasche von Isolde war weg. "Wie das denn?", hätte ich gerne gebrüllt. Isolde zeigte auf eine Lücke zwischen den Booten. "Die Fahrschule", seufzte ich. Für die Einweisung an Bord hatten sich einige Crews auf der "El Hierro" versammelt. Ein Mitarbeiter von Yachtcharter Römer zeigte den angehenden Freizeitkapitänen die wichtigen Manöver im Umgang mit einem Hausboot: Ablegen, Anlegen, Mann-über-Bord. Nach dem Lehrgang hatte Isolde zwar den Charterschein, aber ihre Handtasche vergaß sie auf der "El Hierro". Deren Crew – war im Gegensatz zu uns – sofort gestartet.
Über die "El Hierro" wussten wir nur so viel: Es war ein blau-weißes Boot mit einer Besatzung von fünf überschwänglichen Herren im Frühpensionierungsalter. Sie führten Ukulelen mit sich und wollten gegen Windmühlen kämpfen, erinnerte sich meine Frau. Ich schaute auf die Karte im Reiseführer. Nur in Röbel/Müritz war eine Holländermühle eingezeichnet. Unsere "Poseidon" nahm die Verfolgung auf: durch den Müritzarm und über die Kleine Müritz. Schließlich der große Paukenschlag: die Müritz. Wasser bis zum Horizont.
Im Ozeanblau vor uns flimmerte das Weiß dutzender Yachten. Meine Frau jammerte: "Die sehen ja alle gleich aus!" Nur die Sorte pastellgelb-blauer Hausboote erkannte Isolde nach einer halben Stunde im Ausguck. Kormoran hieß dieser Bootstyp, vom Charterunternehmen Kuhnle Tours. Isolde meinte: "Bügeleisen wäre wohl der treffendere Name gewesen."
In Röbel machten wir im Stadthafen fest und liefen zum Marktplatz und zur Mühle. Sogar in der Heimatstube fragten wir nach fünf Herren mit Ukulelen. Vom Turm der Marienkirche erhofften wir uns Überblick: die herrliche Müritz weitdraußen und zu Füßen die Röbeler Bucht mit Promenade, Bootshäusern und einem roten Bunbo Boot (Bungalow-Boote) von Yachtcharter Römer, mit Kurs auf die Weite der Müritz.
Eine Viertelstunde später erreichten wir unser Boot. Jedoch: zugeparkt. Die "Lütte Muus" hatte sich keck an unserer Seite vertäut. Von der Besatzung keine Spur. Die "El Hierro" war schon wieder über alle Meere. Die Hafenmeisterin kam zum Kassieren, und wir saßen da ohne Handtasche und ohne Geld.
- Nettofahrzeit: 3 – 4 Stunden
- Tageskilometer: 37 Kilometer (Buchholz – Vipperower Brücke – Röbel)
- Höhepunkte des Tages:
Einfahrt in die Müritz von Süden (Wasser bis zum Horizont)
Stadtbummel in Röbel (Paradeaussicht vom Kirchturm St. Marien auf die Müritz)
Pittoreske Bucht in Röbel mit traditionellen Bootshäusern. - Badestellen an der Strecke:
Buchholz, Müritzsee, Vipperow, Rechlin, Zielow, Anleger Ludorf, Marienfelde, Röbel.
Zweiter Tag: Von Röbel über Waren nach Mirow - Wer zu spät kommt …
Die Hafenmeisterin biss uns nicht. Sie verwies auf den Zettel an unserer Kajüte. "Hallo, flotte Hamburger! Wir sind im Restaurant Seglerheim. Kommt doch auch! Freddy und Monika". Die entspannten Eheleute aus Nordrhein-Westfalen hatten wir tags zuvor kennen gelernt, absolute Hausboot Spezialisten. Sie begriffen unser Missgeschick, aber forderten uns zur Besonnenheit auf: "Fahrt nicht heute Abend. Ihr findet sonst keinen Platz mehr. Bleibt in Röbel."
Monika wusste, wohin "die Russen mit den Balalaikas" ausgelaufen sind. "Russen, wieso?", fragte ich mit Bange um mein Geld. "Na, die haben so gesungen", beteuerte Freddy. "Aber wenn ihr morgen sehr früh aufbrecht, liegen sie noch im Delirium, wenn Ihr Waren erreicht." Unsere Lagen gingen an diesem Abend auf Freddy.
In Waren trafen wir im Stadthafen auf die "El Hierro", verwaist und verschlossen. Mit Zehrgeld von Freddy nahm ich in einer Tapasbar am Hafen Platz, mit Blick auf die "El Hierro“. Isolde erkundete die hübsche Altstadt und kam irgendwie kostenfrei ins Müritzeum, eine futuristische Heimatausstellung voll multimedialem Zauber. Ich vertrieb mir die Zeit mit Oliven und neuen Bootstypen. So unterscheidet sich unsere "Poseidon", eine holländische Stahlyacht, ganz erheblich von der elegant geformten Nicols-Yacht, die neben uns festmachte.
Zur Kaffeezeit kamen unsere Russen vom Landgang zurück. Sie guckten nicht schlecht, als Isolde ihre Handtasche auf ihrem Kahn wieder fand. Vergessen unter dem Waschbecken auf der Toilette. Unser Geld war nicht versoffen. Die Crew der "El Hierro" entpuppte sich als Runde von Russisch- und Musiklehrern aus Magdeburg. Trotz großem Hallo – wir waren in Mirow mit Freddy und Monika auf Revanche verabredet.
Wir mussten die ganze Müritz einmal längs, rund 60 Kilometer. "Das schafft ihr!", riefen die fünf Barden vom Steg hinterher. Dann stimmten sie an: "Jetzt fahr’n wir über’n See, über’n See…". Wenn bloß nicht das Lämpchen aufgeblinkt wäre. Zum Auftanken war es aber mitten auf der Müritz zu spät.
- Nettofahrzeit: 4 – 6 Stunden
- Tageskilometer: 59 Kilometer (Röbel – Waren – Mirow)
- Höhepunkte des Tages:
Schloss Klink (eklektische Türmchenarchitektur am Nordufer der Müritz)
Stadthafen Müritz (mondäner und belebter Yachthafen, fußläufig zur Altstadt)
Ausblick von der Warener Marienkirche am Schinkelrathaus
Müritzeum in Waren und Müritz-Nationalpark (Ausflug mit dem Bus)
Längs-Durchfahrt über die Müritz (maritime Weite) - Badestellen an der Strecke: Gotthun , Sietow-Dorf, Klink, Strandbad Waren, Campingplatz Ecktannen, Boek, Bolter Kanal, Marina Müritz Rechlin-Nord, Zielow, Rechlin, Strandbad Mirow.
Dritter Tag: Von Mirow nach Kleinzerlang (Marina Wolfsbruch) - Kurz angebunden
Das Warnlämpchen ging am Südende der Müritz gar nicht mehr aus. „Mit was für einem Affenzahn“, schäumte Isolde. Die Geschwindigkeit hatte den Tank leer gesogen. Musste ich zugeben. Ohne Handyempfang waren wir auf uns allein gestellt. Ganz langsam fuhren wir weiter. Ich weiß nicht mehr, wie ich es meiner entgeisterten Frau beibrachte, als es Neun schlug. Die Schleuse vor Mirow macht um 20 Uhr dicht. Wir waren noch Meilen entfernt. Isolde befahl zu ankern, dort wo wir waren. Eigentlich ganz nett, die Stelle im Windschatten eines Inselchens auf der Kleinen Müritz.
Wir starteten am Folgetag als erstes in die Mirower Schleuse. Der Hunger trieb uns, wir hatten noch nichts an Bord. Immerhin: Bootspatron Römer beruhigte am Telefon: „Sprit reicht bis Mirow.“ Sein unaufgeregter Brummbass stimmte meine Frau friedlich.
Der Stadthafen von Mirow liegt direkt an der Schlossinsel. Von Freddy und Monika keine Spur. Ihr Handy – ebenfalls aus. Die Hafenmeisterin half uns bei der Betankung. Im angrenzenden Strandbad nahmen wir ein einfaches Frühstück zu uns. Die Reste eines Spanferkels am Spieß ließen eine schöne Party am Vorabend vermuten.
Wir drehten eine Bootsrunde durch die nördlich an Mirow grenzenden Seen. Ein Naturparadies für jeglichen Wassersport. Dann riefen unsere westfälischen Freunde zurück: Sie waren zur Marina Wolfsbruch gefahren. Das Mirower Grillfest hatte sie schnell das Weite suchen lassen – an Nachtruhe war nicht zu denken. "Wir haben eine Überraschung für Euch, wenn Ihr kommt", rief Freddy.
Erst einmal aber überraschte Isolde. Es muss der Mangel an Koffein in ihrem Blut gewesen sein. Erst überhörte sie meine Kommandos in der Diemitzer Schleuse. In Canow verband Isolde geistesabwesend dann unsere Yacht mit dem Ufer. Das Boot sank planmäßig in der Schleusenkammer hinab, aber der Bug drohte sich aufzuhängen. Mit einem Ruck riss die Leine, und die "Poseidon" knallte aufs Wasser.
Nachdem ich Isolde zur Schnecke gemacht hatte, duckten wir uns schamvoll unter den Blicken der anderen. Was einer der Schleusengäste zu mir rief, werde ich mein Lebtag nicht vergessen.
- Nettofahrzeit: 3 – 4 Stunden
- Tageskilometer: 20 Kilometer (Mirow – Schleuse Diemitz – Schleuse Canow – Wolfsbruchschleuse – Klein Zerlang/ Marina Wolfsbruch)
- Höhepunkte des Tages:
Schlossinsel Mirow (eklektische Türmchenarchitektur am Nordufer der Müritz)
Granzower Möschen (idyllischer Strand am Feriendorf Mirow)
„Alte Fahrt“ zwischen Mirow und Granzow (Seerosenteppiche) - Badestellen an der Strecke: Strandbad Mirow, Granzow, Naturcampingplatz Mössensee, Fleeth, Diemitz, Canow.
Vierter Tag: Von Kleinzerlang (Marina Wolfsbruch) nach Fürstenberg/Havel - "Gott schütze uns vor Sturm und Wind und Booten, die gechartert sind!"
Alle in der Schleusen lachten, obwohl die meisten in Mietbooten unterwegs waren. Der Sprücheklopfer war unverkennbar ein verknöcherter Bootseigner auf einer Linssenyacht. Auch die Hausboote von Linssen gehören zu den Marken, die häufig in der Mecklenburger und Brandenburger Seenplatte anzutreffen sind. Endlich erreichten wir die Marina Wolfsbruch im Herzen der Mecklenburgischen Seenplatte.
Freddy und Monika trösteten uns mit gutem Zureden. Das Bootsvolk sei nun mal nicht frei von Snobbismus. Nach einem Zanderfilet im noblen Restaurant "Brigg", folgte unsere Überraschung, von der Freddy gesprochen hatte: "Morgen fängst du euren eigenen Fisch!" und überreichte mir eine kleine Teleskopangel. "Und Du brätst ihn.", sagte ich zu meiner Frau, die die Augen verdrehte.
Am frühen Morgen starteten wir in Richtung Fürstenberg an der Havel. Wir wollten nicht riskieren, allzu lange an der Wolfsbruchschleuse zu warten. Monika erklärte, hier verlaufe die Grenze zwischen Mecklenburg und Brandenburg. In den Augen meiner Frau sah ich, dass ihr das Einerlei war. Wahrscheinlich war sie mit ihren Gedanken schon in Berlin.
Wir erreichten am Nachmittag den Röblinsee vor Fürstenberg. Freddy hieß mich die Angel auswerfen. Er fuhr weiter, um nach Liegeplätzen Ausschau zu halten. Isolde und ich dösten an Deck, als uns ein Megaphon rief. Die Wasserpolizei kam an Bord. Mit den Papieren war alles in Ordnung. "Und die Angel, Kolleje?!", fragte der Beamte. Ich zeigte den Touristenfischereischein. "Tja", sagte der stämmige Polizist mit zwei blauen Sternen auf der Schulter "dat jildet aber nur in Meck-Pomm. In brandenburgischen Jawässern zählt das nüscht. Dat macht jetzte een Verwarnjeld für se. Weil se hier schwarz jefischt ham."
"Na sei mal nicht so", mischte sich der andere Polizist ein. "Hamse ja nüscht jefangen, oder?" Wir wurden mündlich verwarnt und sollten zusehen, dass wir Land gewinnen. In Fürstenberg gebe es schließlich gute Restaurants, zum Beispiel das Gasthaus "Zur Linde". Nicht weit davon hatte Freddy unseren Nachtsteg beim Fürstenberger Yachtclub klargemacht. Am nächsten Tag wartete ein Teufelsritt auf uns und der Teufel persönlich auf meine Frau.
- Nettofahrzeit: 3 – 4 Stunden
- Tageskilometer: 23 Kilometer (Kleinzerlang/ Mariona Wolfsbruch – Schleuse Strasen – Priepert – Schleuse Steinförde – Schleuse Fürstenberg – Fürstenberg)
- Höhepunkte des Tages:
Ausflug nach Rheinsberg (friederizianisches Schloss im Rokoko)
Pälitzsee, Ellenborgensee, Ziernsee, Menowsee (typische Seenkette der Oberhavel)
Altstadt von Fürstenberg und Gedenkstätte KZ Ravensbrück - Badestellen an der Strecke: Canow, Pelzkuhl, Strasen, Großmenow, Kleinmenow, Fürstenberg
Fünfter Tag: Von Fürstenberg/Havel nach Zehdenick - Quizfrage und die Folgen
Der nächste Streckenabschnitt führte unseren Mini-Bootscorso aus der Kleinseenplatte heraus. Vorbei an Himmelpfort, wo der Weihnachtsmann eine Wichtelwerkstatt unterhält. Dann schlängelten wir uns auf der Oberhavel durch vier Schleusen. Zähneknirschend versah meine Frau den Dienst als Hilfsmatrose, während ich die Kommandos so leise wie möglich gab. Bloß nicht provozieren.
In den Schleusen schaute ich mir andere Bootstypen an, mein neues Hobby. Vor allem, wenn Isolde abweisend auf dem Vordeck herumschlich. Frankreich schien nicht fern, dachte ich bei mir. So heißt hier einer der Anbieter "Le Boat". Andere Charterboote tragen die Bezeichnung "Pénichette", zu Deutsch: Bötchen. Am Schleusenhof Regow gibt es sogar frischen Brébis ans Boot, also Ziegenkäse. Isolde deckte sich damit ein, als wenn unsere Reise bis zum Bodensee dauern sollte. "Planst Du ein Captain’s Fondue?", fragte ich gekonnt arglos.
Im Ziegeleipark Mildenberg besichtigten wir die alten Lehmbrennöfen. In der Marina nebenan liegt man ganz ruhig in der Tonstichseenlandschaft. Nur ein Kuhnleboot hatte es sich etwas abseits unserer Yachten gemütlich gemacht. Da keine Gendarmerie zu sehen war, hielt ich meine Angel ins Hafenbecken. Tatsächlich dampfte am Abend ein gebratener Hecht neben der Platte mit Ziegenkäse. Zur Feier des Tages öffneten Freddy und ich einen Wein nach dem anderen. Den hellen zum Fisch, den roten zum Käse. Zum Dessert kamen wir dem Teufel in der Flasche bedrohlich näher. Was soll’s. Es war unser letzter gemeinsamer Abend. Die "Lütte Muus" – das Mäuschen – fuhr an die Müritz zurück. Wir wollten weiter nach Berlin.
Die vielsagenden Blicke meiner Frau sind das letzte, woran ich mich erinnern kann. Freddy erzählte, dass ich noch allen Ernstes ein Bootsquiz begann. Isoldes sollte zum Wettstreit gegen mich antreten. Glücklicherweise gab es zwei Kabinen auf der "Poseidon". "Ansonsten wärst Du wohl mitsamt deinem Sägewerk über Bord gegangen", meinte Monika. Isolde hasste es, wenn ich schnarchte. Als ich am nächsten Tag wach wurde, war meine Frau fort. Mitsamt der Handtasche. Das einzige was Monika noch erinnerte, war Isoldes Antwort auf die letzte Frage im Bootsquiz.
- Nettofahrzeit: 5 – 7 Stunden
- Tageskilometer: 38 Kilometer (Fürstenberg/Havel – Schleuse Bredereiche – Schleuse Regow – Schleuse Zaaren – Schleuse Schorfheide – Ziegeleipark Mildenberg/ Zehdenick)
- Höhepunkte des Tages:
Himmelpfort (mittelalterliche Klosterruine)
Ziegenkäserei Schleusenhof Regow
Ziegeleipark Mildenberg(typische Seenkette der Oberhavel) - Badestellen an der Strecke: Waldhof, Himmelpfort, Zootzen
Sechster Tag: Von Zehdenick nach Mildenberg - Geraubte Braut
Ich hatte einen Brummschädel. Meine Frau war fortgelaufen. Und die folgenden 100 Kilometer nach Berlin: eine Spitzen-Strecke eigentlich, aber allein? Mir grauste. Ich rief meine Tochter an. Ich rief meine Schwiegermutter an. Sogar Manfred Römer rief ich an. Niemand von Ihnen hatte mit Isolde gesprochen.
Freddy und Monika verabschiedeten sich mitleidig. Sie mussten weiter. "Was war die letzte Frage?", beschwor ich Monika. Monika lächelte bitter. "Auf welchem Boot fährst Du lieber", hatte ich meine Frau bedrängt, "bei mir oder dem klobigen Kahnpott da drüben?" – "Und die Antwort?" Ängstlich blickte ich zu Monika und Freddy. "Sie hat stumm auf das Boot dort hinten gezeigt. Du hast dabei gurgelnd gelacht."
OK. Das Kuhnle-Boot da hinten war weg. Womöglich mit meiner Frau. Hinterher. Bis Oranienburg hoffte ich noch, die Kormoran von Kuhnle einzuholen. Aber alles was ich ein- und aufholte waren Stahlyachten von Yachtcharter Heinzig, von Yachtcharter Schulz, von Unruh Marine. Ich war so in Unruhe, dass ich gar nicht bemerkte, dass ich hinter Liebenwalde auf die Oder-Havel-Wasserstraße geraten war. Hier sind nur noch Skipper mit Bootsführerschein unterwegs, denn hier kreuzt die Berufsschifffahrt – im Revier rund um Berlin bis nach Brandenburg ein traditionsreiches Gewerbe.
Ich hetzte durch Oranienburg. Sollte ich am neuen Schlosshafen vorbeischauen? Vielleicht wäre Isolde hier wegen der Gartenschau ausgestiegen. Aber meine Hoffnungen auf ein gelb-blaues Kuhnleschiffchen zerschlugen sich mit jeder Havelbiegung bis Mildenberg . An den Schleusen musste ich die Wärter bitten, auf meinem Boot zu assistieren. Alleinsein war Mist. Die hübschen Trauerweiden am Ufer spendeten wenig Trost.
In Mildenberg steuerte ich eine weitere Basis von Yachtcharter Römer - Mildenberg in der Marina Papenberge - an, mein letzter Stopp vor Berlin. Vor lauter Tristesse suchte ich mir zwei Töpfe in der Pantryküche unseres Bootes und kochte einen Teller Spaghetti, den ich nicht aß. Mein ganzes Schiff kam mir zu groß und zu eng vor. Ich duschte sogar auf der Badeplattform der "Poseidon". Mit dem Abendgesang der Vögel ringsum verschwand zumindest die Stille. Da zwitscherte mein Telefon.
- Nettofahrzeit: 8 – 10 Stunden
- Tageskilometer: 54 Kilometer (Mildenberg – Zehdenick – Liebewalde – Oranienburg – Henningsdorf)
- Höhepunkte des Tages:
Schiffermuseum Zehdenick (Auf den Spuren der traditionsreichen Schifferstadt)
Oranienburger Schloss mit Garten und neuem Yachthafen - Badestellen an der Strecke: Lehnitzsee Oranienburg.
Siebter Tag: Von Mildenberg durch Berlin nach Köpenick - Bedingungen
Am anderen Ende meldete sich Isolde. Besser gesagt, sie schwieg und wartete erst einmal auf meine Entschuldigung. "Nur unter einer Bedingung …", sprach meine Frau mit dünner Stimme. Ich war voller Erwartung. "Hol mich morgen vom Szchfffschzzfff––" Die Stimme versiegte in einem digitalen Geräuschstrudel. Schock. Mein Handyakku war leer.
Wo sollte ich sie abholen? Hatte ich es vermasselt? Schon wieder. Ich lief durch die Dämmerung an der Havel nach Süden. Ich suchte eine Telefonzelle. Das letzte Mal, als ich acht Kilometer rannte, war ich verliebt, vor – Gott oh Gott – Jahrzehnten. Schließlich landete ich in einer Spandauer Altstadt-Spelunke. Zum Glück kannte ich die Nummer meiner Frau aus dem Kopf. "Schiffbauerdamm" hieß ihr Zauberwort. Dahin sollte ich also morgen kommen. Dann legte Isolde auf und ging nicht mehr dran. Das gehörte wohl zum Spiel.
Am Morgen trat ich die letzte Fahrt über die Havel zur Spreemündung an. Auf der Berliner Spree glitt ich durch Charlottenburg, Tiergarten und das Regierungsviertel in Mitte. Zwischen Schloss Bellevue, Kanzleramt und Reichstag tobte der Schiffsverkehr. Ausflugsdampfer zogen im Akkord vorüber. Sogar ein Schiff der Bundesmarine. Zwischen Reichstag und Friedrichstraße erreichte ich endlich das Ziel: die Liegestelle Schiffbauerdamm. Meine Frau winkte mit ein paar Einkaufstaschen.
"Keine Fragen!", wiegelte sie zur Begrüßung ab. "Nur eine Antwort. Aber von Dir." Ich stutzte. Sie fuhr fort: "Starten wir das nächste Mal gleich in Berlin?" War das Isoldes Bedingung? – "Das nächste Mal, Miesepeterchen", so nannte sie mich, wenn ihre schlechte Laune verflog, "will ich gleich an die Spree und den Wannsee." Ich verstand. Meine Frau brauchte die Großstadt. Auch im Urlaub. Mit einem gewollt dümmlichen Gesichtsausdruck steuerte ich die "Poseidon" beglückt durch das ehemalige Ost-Berlin bis nach Köpenick.
Und heimlich machte ich schon Pläne für kleine Abstecher in das Wasserparadies der brandenburgischen Havelseen, ein Katzensprung westlich von Berlin. Preußische Schlösser und Refugien mit Seerosenidylle rund um Potsdam, der Inselstadt Werder sowie dem 1000-jährigen Brandenburg an der Havel. Notfalls würde ich das auch allein durchziehen und Isolde auf dem Ku’damm zum Power-Shopping absetzen. "Berlin", freute ich mich, "wir kommen wieder."
- Nettofahrzeit: 4 – 6 Stunden
- Tageskilometer: 40 Kilometer (Mildenberg – Spandau – Berlin-Mitte – Treptow – Köpenick)
- Höhepunkte des Tages:
Zitadelle in Spandau (Festungsbau mit zahlreichen Museen)
Berlin-Mitte (Museumsinsel, Reichstag, Brandenburger Tor fußläufig zum Anleger Schiffbauerdamm)
East Side Gallery (ein buntes Stück Berliner Mauer an der Oberbaumbrücke zwischen Friedrichshain und Kreuzberg)
Molecule Man (30 Meter hohe Skulptur in der Spree in Treptow) - Badestellen an der Strecke: Konradshöhe, Hakenfelde.